Taucher und Greifer

Für Juden, die der Verfolgung durch Abtauchen zu entgehen versuchten, bot Berlin als Großstadt bessere Überlebenschancen als ländliche Gegenden. Es gibt viele Berichte über Juden im Berliner Untergrund und Erinnerungen von Menschen, die in der Illegalität überlebten. Der wohl bekannteste war der spätere Showmaster Hans Rosenthal, der sich in einer Schrebergartenkolonie versteckte.

Hans Rosenthal in einer Liste von Überlebenden in der jüdischen Zeitung Aufbau vom 28.12.1945

Die „Taucher“, wie sie genannt wurden, lebten in permanter Angst, mussten ihr Quartier oft täglich wechseln und hausten mal bei Bekannten oder in konspirativen Wohnungen, dann wieder in Parks, Garagen oder auf Friedhöfen, wo sie den Bombenangriffen sowie Wind und Wetter ausgeliefert waren.

Sie hatten keine andere Wahl als für die Versorgung mit Essen und dem Lebensnotwendigsten auf die Hilfe nichtjüdischer Menschen zurückzugreifen, da man bald ohne Lebensmittelmarken und Bezugsscheine kaum noch etwas kaufen konnte. In seinen Lebenserinnerungen „Zwei Leben in Deutschland“ hat Hans Rosenthal diese Zeit eindringlich beschrieben – der SWR hat in seinem Archiv ein Gespräch dazu mit ihm aufbewahrt.

In den letzten Kriegsjahren presste die Gestapo eine Reihe meist junger Verfolgter zu Spitzeldiensten, um die Illegalen aufzuspüren. Diese „Greifer“ verrieten Menschen für das Versprechen, von der Deportation verschont zu bleiben. Die Enttarnten wurden meist ohne Aufschub nach Auschwitz geschickt.

Die berühmteste Greiferin war Stella Kübler. Die faszinierende Geschichte der schönen blonden, blauäugigen Jüdin, die von den Nazis umgedreht und zur Denunziantin gemacht wurde, ist vielfach literarisch bearbeitet worden. Peter Wyden, einer ihrer ehemaligen Mitschüler in Berlin, widmete ihr ein berührendes Sachbuch, Takis Würger einen erfolgreichen, nicht unumstrittenen Roman, ja sogar zu einem Theaterstück taugte ihr Leben. An der Figur Stella lässt sich nämlich all das festmachen, was für Überlebende und deren Nachkommen zur Gretchenfrage wurde: Wer war unschuldig und wer hatte um zu überleben mit den Nazis zusammegearbeitet?

Um nichts weniger drehte sich die Frage, wie die Salomons es geschafft haben konnten, mit einem jüdischen Pflegekind und einem eigenen Baby den Krieg mitten in Berlin zu überleben.

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