Unterwegs Richtung Süden. Ans Tote Meer wollen wir, dann zur Wüstenfestung Masada, zuletzt nach Arad, wo Peter 1968 in den Salzfabriken des Toten Meers gearbeitet hat, als der Ort nur aus ein paar Baracken bestand.
Peter hat gute Laune. Er hat eigentlich immer gute Laune wenn er fährt. Es macht ihm großen Spaß, mir sein Land zu zeigen und dabei sein bröckliges, mit Jiddisch getränktes Deutsch auszuführen. Er singt und summt, erzählt, fragt und hört zu.
Unser erster Halt ist ein Kloster auf dem Weg nach Jerusalem. Es wird von Trappistenmönchen bewirtschaftet, bekannt für das Schweigen, mit dem sie ihre Gärten bestellen, und ihr Olivenöl. Das Kloster liegt in einem ehemals hart umkämpften Gebiet, so hat man gleich daneben ein Militärmuseum gebaut.
Willst Du reingehen? Ich winke ab. Der israelische Militarismus behagt mir nicht. Überall Uniformierte, am Eingang durchwühlt wie selbstverständlich ein gelangweilter, kaugummikauender Kerl meine Taschen. Wir leben mitten zwischen Feinden! ruft Peter. Sie schmeißen Bomben und Raketen, beinah jeden Tag.
Ich finde die hochgerüstete Gesellschaft anstrengend.
Das Tor zum Kloster ziert ein Dutzend Schilder mit Piktogrammen, die den Besucher auffordern, nicht zu telefonieren, nicht zu rauchen, nicht laut zu reden, keine unzüchtige Kleidung zu tragen oder zu rennen. Mitten im Altarraum klingelt prompt Peters Telefon: Sara. Wo seid Ihr? Bringt Olivenöl mit, sagt sie.
Nachdem wir im Klosterladen Olivenöl erstanden haben, trinken wir Kaffee in der abgewohnten Cafeteria des Armeemuseums. Die Farbe blättert, um die Tische streunen Katzen, aber der Blick auf das Land ist herrlich. Siehst Du die Katze?, sagt Peter, Wenn sie dreifarbig sind, sind es immer Weibchen. – Bist Du sicher? – Glaub mir, sagt er und grinst, Es stimmt.

Eins, zwei, drei – ich zähle die Farben der Katze.
Eins, zwei, Polizei, setzt er fort, Drei, vier, noch ein Bier! Fünf, sechs, alte Hex’, sieben acht, Gute Nacht, neun, zehn, Schlafen gehn. Wir lachen. Woher kennst Du das?, frage ich. Ich glaub von früher, sagt er, ich hab auch nicht gewußt, daß ich das kenne. Ist mir eben wieder eingefallen.
Zurück im Auto summt er eine Melodie. Kennst Du das? fragt er. Natürlich: „Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein’ Fuß…“ – ich singe die erste Strophe. Siehst Du, ruft Peter, ist mir auch gerade eingefallen. Aber ich hab den Text nicht mehr gekannt. Und das? – er summt wieder. Klar, sage ich: Lili Marleen. War ein großer Schlager im Krieg.
Peter grinst über das ganze Gesicht. Siehst Du! ruft er, Alles ist in meinem Kopf noch drin!
Weißt Du, mein Vater hat ein Radio gehabt in der Küche, unter dem Waschbecken. Er öffnet eine imaginäre Schranktür. Und manchmal nachts hat er den Engländer gehört. Einmal war ich allein zu Hause und hab das Radio angemacht. Da kam gute Musik, ich glaub’ Jazz. Hab ich getanzt in der Küche! Aber als Lotte und Hans nach Hause kamen war was los. Den Gürtel hab ich gekriegt. Weil das hätte uns verraten können, das war verboten!
Wieso um alles in der Welt hatten Lotte und Hans ein Radio in der Küche? Die waren doch nicht lebensmüde?
Weißt Du, so waren viele Dinge mit uns. Die kann man nicht erklären. Ein Radio, jeden Sonntag einen guten Braten auf dem Tisch, die Hunde… Mein Vater hat immer Hunde gehabt. Zuletzt im Krieg einen großen Schäferhund, Nelson. Wie Admiral Nelson. (26/x)